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Recycelte Carbonfasern und Garn. Foto: DITF
Mit Polystyrol gepfropfte Carbonfaser. Foto: DITF

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    Stephan Baz M.Sc.

    Stv. Leiter Kompetenzzentrum Stapelfasern, Weberei & Simulation
    Leitung Stapelfasertechnologie

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    Dipl.-Geol. Ulrich Hageroth

    Werkstoffmikroskopie,
    Marketing und Kommunikation

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Carbonfasern erleben zweiten Lebenszyklus in Verbundbauteilen

Die zunehmende Verwendung von carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) in der industriellen Fertigung verstärkt die Dringlichkeit, ein geschlossenes Recyclingsystem zu schaffen. Denn während die technischen Eigenschaften dieser modernen Werkstoffgruppe unbestreitbar hervorragenden Ersatz für etablierte Materialien liefern, so sind Verfahren für die Wiederverwertung der Rohstoffe noch nicht ausgereift.

Beim bisher gängigsten Verfahren, dem thermischen Recycling, wird die Polymermatrix pyrolytisch von den Fasern getrennt. Dabei zersetzen sich die organischen Anteile unter hohen Temperaturen, während die Carbonfasern aufgrund ihrer Temperaturbestängigkeit als Rückstand verbleiben.

Entscheidend für die Verwendbarkeit rezyklierter Carbonfasern in einem zweiten Lebenszyklus ist die Erhaltung ihrer Qualität. Einerseits kann die thermische Belastung durch die Pyrolyse die Struktur der Fasern beeinflussen, zum anderen ist es unmöglich, Endlosfasern zurück zu gewinnen. Aus dem Prozess gehen Stapelfasern von einigen Zentimetern Länge hervor. Es liegt auf der Hand, dass sich aus diesen nicht ebenso hochfeste Verbundwerkstoffe herstellen lassen, wie es aus Endlosfasern möglich ist. Denn Zugbelastungen, die auf ein Werkstück mit Stapelfasern einwirken, können nur noch über kurze Distanzen direkt von den Fasern aufgenommen werden. Die weitere Kraftübertragung erfolgt über die Matrix. Für die Festigkeit von CFK aus rezyklierten Carbon-Stapelfasern ist daher die Anbindung der Fasern an die Matrix von noch größerer Bedeutung als von CFK aus Endlosfasern.

Ein gemeinsames Forschungsprojekt des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf (ITV) und des Instituts für Textilchemie und Chemiefasern Denkendorf (ITCF) befasst sich mit dieser Thematik. Ziel des Projektes ist es, aus rezyklierten Carbonfasern textile Halbzeuge hoher Qualität herzustellen, die für einen automatisierten Formpressprozess geeignet sind.

Avivage und Faseroberfläche bestimmen die Haftvermittlung

Bei Verwendung von Endlosfilamenten wird üblicherweise auf die Faseroberfläche eine Schlichte aufgebracht und eingebrannt. Sie hat die Aufgaben, als Haftvermittler zur Matrix zu wirken sowie die Fasern gegen mechanische Einflüsse wie Reibung zu schützen. Der bestehende Prozess zur Beschlichtung von Carbonfilamenten kann bei der Verwendung von Stapelfasern nicht angewandt werden, da die thermische Behandlung loser Fasern nicht möglich ist. Alternativ wird am ITCF eine Avivage auf die pyrolysierten Carbonfasern aufgesprüht. Die Anforderungen an die Avivage sind dabei ganz andere als an geschlichtete Endlosfasern: Im Falle der Stapelfaserverarbeitung muss die Avivage einen Schutz der spröden Carbonfasern vor den mechanischen Bearbeitungs- und Umlenkvorgängen bieten und gleichzeitig ein Gleiten der Fasern untereinander im Verzugsprozess (Teil des Spinnprozess) erlauben. Die Gleiteigenschaften kommen erneut beim Dehnen des Garnes, z. B. während einer Umformung zum Tragen. Die Struktur eines Stapelfasergarnes ermöglicht eine Verstreckung, wie sie im Bearbeitungsprozess zwangsweise erfolgt, durch Gleiten der Fasern. Bei einem Roving, der aus Filamenten besteht, wäre ein solches Verhalten nur durch das Reißen der Filamente realisierbar. Während die Dehnung eines Carbonfasergarnes aus Endlosfasern rund 1% beträgt, verzehnfacht sich dieser Wert  bei einem Garn aus Stapelfasern.

Der Avivage kommt als weitere Aufgabe die Haftvermittlung der Fasern zur Matrix zu, denn sie befindet sich schließlich genau an dieser wichtigen Grenzfläche. Die Einflüsse verschiedener Avivagen auf die Haftvermittlung werden im Forschungsprojekt untersucht. Es soll eine Avivage identifiziert werden, deren Zusammensetzung optimal die beschriebenen möglicherweise kontroversen Aufgaben erfüllen kann.

Zusätzlich zur rein chemischen Bindung der Matrix an die Carbonfaser ist die Beschaffenheit der Carbonfaser-Oberfläche ausschlaggebend für die Anbindung. Die oberflächlichen Strukturen der Fasern optimal einzustellen, um eine größtmögliche Haftung zu erlangen, ist eine weitere Zielsetzung des Forschungsprojektes. Das geschieht chemisch durch das Aufpfropfen von Polymeren auf die Faseroberfläche. Da die Kraftübertragung zwischen den Kurzfasern ausschließlich über die Matrix erfolgt, ist die Faser-Matrix-Wechselwirkung von entscheidender Bedeutung für die späteren Bauteileigenschaften.

Neue Werkstoffe aus Stapelfasern

Nach erfolgreicher Avivierung werden die Stapelfasern zusammen mit Kurzfasern aus einem thermoplastischen Polymer zu einem Garn gesponnen. Eine trickreiche Methode – ermöglicht sie doch eine gleichmäßige Durchsetzung des Garnes mit dem Matrixpolymer.

Das derart vorbereitete Garn wird zu einer textilen Fläche weiterverarbeitet. Beim Drapieren, dem Anpassen des Textils an einen dreidimensionalen Formkörper, zeigt das Garn aus Stapelfasern sogar einen Vorteil gegenüber Endlosfasergarnen: Bedingt durch die höhere Dehnbarkeit des Garns kann sich das Textil bei Verzug mit weniger strukturellen Störungen um Kanten legen. In einer Heißpresse wird das textile Halbzeug zu einem Bauteil geformt. In der Presse schmilzt der thermoplastische Anteil des Garns und bildet die Matrix des entstehenden Verbundwerkstoffes.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sollen den Lebenszyklus von Carbonfasern deutlich verlängern und beweisen, dass ihre Wiederverwertung auch für automatisierte Prozesse möglich ist. Denn dadurch erschließt sich die Eignung für den industriellen Einsatz – als wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung des geschlossenen Recyclingsystems.

Denkendorf, 27.04.2016