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Nicht nur heiße Luft

Die flache Struktur wird mit Druckluft aufgeblasen und verändert dabei ihre Geometrie und wird verkürzt.
Durch wechselndes Aufbaublasen der textilen Kammerstrukturen unten (Kreis) wird die Trommel mittels einfacher Umlenkung nach rechts bzw. links bewegt (Pfeile).Foto: DITF
Durch wechselndes Aufbaublasen der textilen Kammerstrukturen unten (Kreis) wird die Trommel mittels einfacher Umlenkung nach rechts bzw. links bewegt ( Pfeile) Foto: DITF
    Dipl.-Ing. Christoph Riethmüller

    Leiter Technologiezentrum Smart Living Textiles
    Denkendorfer Zukunftswerkstatt

    T +49 (0)711 93 40-256

Bewegung und Kraft mit pneumatischen Textilien

Das Thema Energiesparen bestimmt unseren Alltag und um die Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten, ist die moderne Leichtbauweise unverzichtbar. Das Institut für Textil- und Verfahrenstechnik ITV erforscht einen vielversprechenden Ansatz: pneumatische textile Aktoren.

Diese Antriebselemente sind leicht und entwickeln trotzdem viel Kraft und sorgen für Bewegung. Die Aktoren werden mit Hilfe der Jacquardwebtechnologie an einem Stück gefertigt, wobei jedes Garn computergesteuert individuell in das Textil eingebunden wird. So entstehen einzel- und doppellagige Gewebeaufbauten mit integrierten Kammerstrukturen. Diese Grundelemente werden luftdicht laminiert und mit Hilfe eines Lasers ausgeschnitten. Durch Befüllen dieser Kammerstrukturen mit Luft können Kräfte oder Bewegungen und selbst Bewegungsabläufe in Abhängigkeit vom Kammerinnendruck erzeugt werden.

Auch Kräfte können auf diese Weise realisiert werden. Durch Aufblasen einer nur 20x20 cm großen Kammer mit einem Druck von unter 0,5 bar kann eine massive Edelstahlstange problemlos verbogen werden (Bild 3).

Nach aktuellen Studien verursacht der Druckluftverbrauch in der Industrie bis zu 20% der betrieblichen Energiekosten. Viele Unternehmen versuchen diesen durch sparsame, computeroptimierte und gut gewartete Druckluftsysteme zu reduzieren. Die Technologie der pneumatischen Textilen verfolgt hier einen revolutionären Ansatz. Anders als herkömmliche Pneumatik arbeiten die Textilen im sogenannten Niederdruckbereich und benötigen oft nur energieeffiziente 1 bar Überdruck. Konventionelle Systeme hingegen arbeiten mit einem Steuerdruck von 2 bar und einem Arbeitsdruck von 5-6 bar. Das Energieeinsparpotential ist enorm. Weniger als die Hälfte des Drucks, der sonst für Stellbewegungen benötigt wird, reicht für dynamische Systeme mit pneumatischen textilen Aktoren aus. Trotzdem entwickeln diese Aktoren viel Kraft. Verglichen mit konventionellen pneumatischen Antrieben können vergleichbare Kräfte mit über 30-mal geringerem Gewicht erzeugt werden. Ein 20x20 cm großer textiler Aktor, der bis zu 3,5 kN Zugkraft erzeugen kann, wiegt inklusive aller Anbindungselemente etwa 54 g.

Damit ergeben sich völlig neue Einsatzmöglichkeiten. Bedingt durch ihre geometrische Variabilität können fast alle Aktorgrößen verwirklicht werden. Da die Aktoren sehr leicht sind, lassen sie sich überall einsetzen. Meterlange Elemente in der Architektur für Dach- und Fassadenstrukturen sind ebenso denkbar wie Zusatzelemente an Industrierobotern, welche selbst drehpunktfern Zusatzfunktionalitäten bieten können.

Darüber hinaus können pneumatische Textilen durch direkt beim Webprozess eingebrachte sensorische Strukturen weitere Funktionen übernehmen. So entstehen intelligente Systeme, die Drücke und Feuchte messen sowie Näherungen erkennen. Da sie in moderne  Computertechnologien eingebunden werden können, sind diese Systeme bestens für die Zukunft aufgestellt.

In den Laboratorien des ITV werden schon heute die leichten, energiesparenden, textilen Aktoren von morgen entwickelt, konstruiert und gemessen. Alle wichtigen Eigenschaften der neuen Aktorklasse wie Zugkraft, Lebensdauer, Dichtigkeit und Aktorcharakteristik können dort bestimmt werden und sorgen dafür, dass einer nachhaltigen Zukunft nicht die Luft ausgeht.